Typisch 50er Jahre. Was bedeutet das eigentlich? Glamour statt Trümmer, heile Welt statt Krieg, Wohlstand statt Entbehrung: In Europa brach nach den Kriegsjahrzehnten eine neue Ära an. Die kulturellen Entwicklungen der 50er Jahre stellten die Weichen für das moderne 20. und 21. Jahrhundert. Zahlreiche 50er-Trends sind bis heute en vogue – eine einzigartige Wohnkultur, zahlreiche Mode-Standards und klassische Musik- sowie Filmströmungen entstanden.
Dabei waren die 50er von Widersprüchen geprägt: Aufmüpfigkeit gegen Biederkeit, Alt gegen Neu, Jung gegen Alt. Nie traten Gegensätze zwischen den Generationen so deutlich hervor. Während sich die älteren Leute in beschauliche Biederkeit zurückzogen, wollte die Jugend Aufbruch und Modernität. Sie richtete ihren Blick gen Westen. Amerika war großes Vorbild und beeinflusste – bisweilen auch generationenübergreifend – Kultur und Stil der deutschen 50er.
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Gelsenkirchener Barock: Wohnen in den 50ern
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass – insbesondere im Hinblick auf Deutschland – das vorherrschende Bild der 50er-Wohnkultur nur bedingt mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Nicht jeder Haushalt wurde von Pastellfarben, Plastik und futuristischen Formen dominiert. Der Generationenkonflikt der Fünfziger spiegelte sich nämlich auch in gegensätzlichen Einrichtungsstilen wider.
In Deutschland besaßen viele Menschen klobige, mit Holzschnitzen verzierte Kommoden und Schränke. An ihren Wänden hingen Kuckucksuhren sowie Gemälde heimischer Maler, die idyllische Berglandschaften oder röhrende Hirsche zeigten. Heute würde man diese Einrichtung wohl als spießig oder kleinbürgerlich bezeichnen – oft genug wird in diesem Zusammenhang der Begriff „Gelsenkirchener Barock“ gebraucht. In der Tat lässt sich von der (Groß-)Elterneinrichtung der Fünfziger eine gewisse Skepsis gegenüber dem Modernen, speziell dem Amerikanischen ableiteten. Gerade die Kriegsgeneration tat sich in weiten Teilen schwer damit, Einflüsse aus Übersee in ihrem Eigenheim zuzulassen. In einem altdeutschen Ambiente, wie sie es bereits aus den 30er Jahren kannten, fühlten sie sich wohler.
Die modernen 50er: Leichtigkeit & Asymmetrie
Indes verzierten jüngere Generationen ihre – meist sehr kleinen – Wohnungen nach amerikanischem Vorbild mit farbenfrohen geometrischen Mustern auf Tapeten, Porzellan und sämtlichen Wohntextilien. Das Formen- und Farbenvokabular wurde vielfältig sowie – im wahrsten Sinne – leichtfüßig.
Niedrige Schränke und Kommoden aus Ahorn oder Nussbaum hatten zierliche Beine, die leicht auseinanderragten. Dasselbe galt für Polstermöbel und Tische. Auf diese Weise schienen die Möbel regelrecht zu schweben. Man wollte sich abgrenzen von den starren, monumentalen Formen der Nazi-Zeit, hatte Lust auf neue Materialien, Freundlichkeit und Leichtigkeit. Asymmetrie war äußerst beliebt. Neben dem Dreieckstischchen ist der Nierentisch ein 50er-Klassiker schlechthin.
Er zierte jedes moderne Wohnzimmer. Seine asymmetrische, nierenförmige Tischplatte bestand aus Resopal oder dünnem Holz. Nicht selten war sie mit Mosaik verziert, immer getragen von drei statt vier Beinchen. Oft wurde der Nierentisch von einem Duo der typischen Cocktailsessel komplettiert. Zur modernen Wohnzimmer-Einrichtung gehörten darüber hinaus die so genannten Tütenlampen mit ihren biegbaren, tütenförmigen Schirmen.
Die 50er Jahre-Küche
Die Küche hat sich seit den 50er Jahren stark verändert. Kunststoff war – auch in altdeutschen Wohnungen – als Küchenmaterial populär. Der Schichtstoff Resopal wurde erst in den 50ern durch die Verwendung für Küchenoberflächen, Frühstücksbrettchen (und Nierentische) bekannt. Küchenböden und Oberflächen waren aus Kunststoff, Bezüge für Küchenstühle ebenfalls. Hauptsache, leicht abwaschbar, so lautete die Devise. Darüber hinaus gehörten Plastikgeschirr und eine mechanische Wandwaage zur Standardausrüstung der Hausfrau.
Highlight einer 50er-Küche aus heutiger Sicht ist ein Möbelstück, das seltener in Europa, dafür aber in amerikanischen Haushalten zu finden war: Ein pastellfarbener, bauchiger Kühlschrank mit abgerundeten Kanten, wie er sich bei Retro-Fans noch heute großer Beliebtheit erfreut.
50er Jahre Home-Entertainment
Ob „Gelsenkirchener Barock“ oder moderner 50er-Schick, viele Haushalte besaßen ein Röhrenradio, das essentielles elektronisches Unterhaltungsmedium war. Die verwandte, umfangreichere Musiktruhe galt als Luxus und war Mittelpunkt jeder gelungenen Party. Sie umfasste sowohl Röhrenradio als auch Plattenspieler.
In der zweiten Hälfte der Fünfziger besaßen schließlich mehr Familien einen Fernseher, womit auch die klassische Couchgarnitur Einzug in die Wohnzimmer hielt. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Wohnzimmer Lebensmittelpunkt der Familie. Zuvor hatte man sich eher um den Küchentisch versammelt.
Absolut weiblich: Frauenmode in den 50ern
Nicht allein in den vier Wänden vollzog sich ein optischer Form- und Farbwandel. Nach den kargen 40er Jahren hatten die Menschen auch wieder richtig Lust auf neue Mode.
Als Frau zeigte man in den 50ern gern Taille und Dekolleté. Enge Mieder oder Gürtel, ein großzügiger Ausschnitt sowie ein weit schwingender Rock betonten weibliche Rundungen. Dazu trug frau Pfennigabsätze. Noch heute sind Kleider und Röcke im 50er-Jahre-Stil beliebt, weil sie auch fülligeren Frauen gut – wenn nicht gar am besten – stehen. Das weibliche Figur-Ideal wurde erst in den 60ern durch knabenhafte Models wie Twiggy und die Minirock-Mode abgelöst, welche eine eher zierliche Statur erforderte. In den 50er durfte es hingegen feminin und auch farbenfroh zugehen. Typische Muster: Tupfen oder Punkte.
Besonders ein Kleidungsstück erlangte Kult-Status: Der Petticoat. Ein bauschiger, aus versteiften Perlon und Nylon-Stoffen bestehender Unterrock akzentuierte Kurven unterhalb der – dank des Rockvolumens – verhältnismäßig schlank wirkenden Taille. Darüber hinaus eignete sich ein Petticoat aufgrund seines weiten, großzügigen Schwungs hervorragend zum Rock ’n’ Roll-Tanzen. Dazu gehörten ein kräftiger, schwarzer Lidstrich und ein rot geschminkter Schmollmund.
Tolle statt Zöpfe
Junge Frauen und Teenager in den 50ern wollten vor allem eines: Nicht langweilig aussehen. Das galt natürlich auch für die damaligen Frisuren. Mädchen wandten sich von braven Zöpfen ab, trugen breite, farbenfrohe Haarbänder zum toupierten Pferdeschwanz. Auch offenes Haar wurde toupiert oder Haarpartien zur typischen 50er-Tolle eingedreht. Es entstanden verspielte Frisurklassiker, die noch heute regelmäßig auf Laufstegen und in den Fußgängerzonen zu sehen sind.
Cocktailkleid & Kostümchen
In konservativeren Kreisen sowie im Büro trug die Dame der 50er Twinsets, schmale Bleistiftröcke oder Kostüme mit Schößchen – stets begleitet von farblich passenden Handtaschen, Hüten und Pumps. Das Haar war recht kurz und umspielte in sanften Wellen das Gesicht. Zur gepflegten Wohnzimmer-Party in bürgerlichen Kreisen trugen frau gern Cocktailkleider. Auch der gediegene „New Look“ von Christian Dior kam in den 50er Jahren auf: Er setzte auf weite, wadenlange Röcken sowie figurbetonte Blusen. Gefeiert wurde die Weiblichkeit im eleganten, klassischen Sinne.
Abgesehen von der freizeitlichen Caprihose nach dem Vorbild Audrey Hepburns, waren Hosen für Frauen erst in den späten 50ern ein Thema. In den 60ern etablierten sie sich schließlich vollends.
Dreiteiler oder Bluejeans: Männermode der 50er
Auch bei den Männern kam mehr Farbe in Spiel und lockerte den spröden, unauffälligen Bürostil der vorangegangenen Jahrzehnte auf. Grundfarben des Männeranzugs – bevorzugt ein Dreiteiler – waren zwar weiterhin Schwarz, Braun und Grau. Dazu trug man allerdings farbenfrohe, gemusterte Krawatten, einen lässigen Hut und Trenchcoat. Äußerst beliebt waren zudem (bunte) Perlon- oder Nylonhemden.
Obwohl der Anzug in den 50ern zum Allrounder-Freizeitdress avancierte, mochten natürlich längst nicht alle Männer Dreiteiler oder gar Krawatte tragen. Inspiriert von Film- und Rock ’n’ Roll-Kultur à la Elvis Presley und James Dean bevorzugten große Teile der jungen Generation Haartolle, bunte Hemden und Jeanshose. Letztere feierte – gepaart mit einem Ledergürtel sowie spitz zulaufenden Lederstiefeln – in den 50ern ihren Durchbruch als Freizeithose.
Eine Frage des Lifestyles: Musik & Jugendkultur
Neben Jazz sind Rock ’n’ Roll und sein amerikanisches Aushängeschild Elvis Presley untrennbar mit den 50ern verbunden. Bill Haleys „Rock Around the Clock“ war der Soundtrack einer Jugend, die alles aus Amerika liebte. Zwar besuchten die meisten Heranwachsenden noch bis in die 60er Jahre brav die klassische Tanzstunde, aber sie tanzten eben auch begeistert zum neuen Sound aus der Jukebox, der ihnen einen viel freieren, lasziveren Tanzstil erlaubte.
Beeinflusst vom Lebensgefühl des Rock ’n’ Roll und dem Rebellen-Film „Denn sie wissen nicht, was Sie tun“ mit Stil-Vorbild James Dean, veranstalteten Anhänger der zeitgenössischen Jugendbewegung – den so genannten „Halbstarken“ – sogar regelmäßig Krawalle und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei.
Derweil versammelten sich konforme Erwachsene mit einem Gläschen Bowle in der Hand um die Musiktruhe im Wohnzimmer, um Schlager zu hören. Die Gegensätze hätten nicht größer sein können.
Der Rock ’n’ Roll ist zweifellos Basis für die Weiterentwicklung der Popmusik in den Folgejahrzehnten. Aber auch die Idee, vor dem Hintergrund eines Musikstils einen bestimmten Lifestyle zu leben, entstand erstmalig in den 50er Jahren.
Ob Metal-, Punk- oder Hip-Hop-Anhänger – die Idee der ganzheitlichen, nicht allein auf den Musikgeschmack bezogenen Abgrenzung von Eltern, Lehrern oder sonstigen temporären Feindbildern hatte seinen Ursprung im Rock ’n’ Roll.